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Rassek & Partner Brandschutzingenieure

Staatlich anerkannte Sachverständige für die Prüfung des Brandschutzes (NRW) Prüfsachverständige für Brandschutz (BY)
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Brandschutz – Erweiterte Verantwortung des Architekten

von Bernd-Dietrich Rassek †, Martin Uhland, Alexander Vonhof

Deregulierung im Baugenehmigungsverfahren nimmt Architekten in die Pflicht

Aufgrund des politischen Drucks zur Vereinfachung des Bauens an sich und anstehender Großbauvorhaben, etwa im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland, wurde im Jahr 2002 eine neue Musterbauordnung (MBO) erlassen. Zudem wurden mehrere Muster-Sonderbauverordnungen veröffentlicht, darunter eine neue Muster-Versammlungsstättenverordnung, die in Nordrhein-Westfalen schon in Kraft getreten ist.

Der Gesetzgeber sieht den Abbau der Anzahl der baugenehmigungspflichtigen Bauvorhaben als geeignetes Mittel zur Baubeschleunigung vor. Dabei gab es auch Fehlentwicklungen. So wurde zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen der Bauleiter mit dem Argument der Vereinfachung des Bauens 1995 erst abgeschafft, im Jahr 2000 aber wieder eingeführt, weil man erkannt hatte, dass dem Bauleiter eine zentrale Funktion zukommt. Gegenwärtig zeichnet sich bundesweit die Tendenz ab, dass zukünftig nach Möglichkeit nur noch Sonderbauten hinsichtlich der materiellen Anforderungen wie Standsicherheit oder Brandschutz durch die Bauaufsicht geprüft werden. In der Musterbauordnung ist für Sonderbauten eine teilweise oder sogar ausschließliche Verlagerung der Prüfung auf staatlich anerkannte, also privatrechtliche Prüfsachverständige, zulässig oder vorgesehen.

„Vereinfachung“ im Bauverfahren

In NRW sind Wohngebäude geringer Höhe – sowohl wenn sie von der Genehmigung freigestellt sind als auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren – bezüglich des Brandschutzes durch den Entwurfsverfasser eigenverantwortlich zu planen und auszuführen. Der Entwurfsverfasser hat mit dem Bauantrag die Erklärung abzugeben, „dass das Bauvorhaben den Anforderungen an den Brandschutz entspricht“. Bei Wohngebäuden mittlerer Höhe in NRW wird diese Erklärung nach eingehender Prüfung durch die „staatlich anerkannten Sachverständigen für die Prüfung des Brandschutzes“ ausgestellt.

Der Architekt übernimmt so gesehen einen Teil der Aufgaben, die in früheren Zeiten die untere Bauaufsicht und deren Fachbehörden innehatten. Damit gelingt zwar die politisch gewollte Vereinfachung der Bauvorhaben im Baugenehmigungsverfahren, um eine „Vereinfachung“ nach dem allgemeinen Sprachverständnis handelt es sich aber keineswegs. Im Gegenteil: Mit der gleichzeitigen Flexibilisierung des Baurechts von starren Bauvorschriften zu schutzzielorientierten Gesamtkonzepten im Brandschutz wird das Bauen für den Bauherrn und den Architekten insgesamt schwieriger. Denn sowohl Bauherr als auch der Entwurfsverfasser tragen nun weitgehend alleine die Verantwortung dafür, dass die Planung des Bauvorhabens den geltenden Gesetzen, Verordnungen und anerkannten Regeln der Baukunst und Technik entspricht.

Die Verantwortung des Architekten

Genehmigungsfreie Bauvorhaben nehmen heute schon einen großen Teil im Baugenehmigungsverfahren ein. So wurden etwa im Jahr 2000 rund 30 % der Gebäude in Nordrhein-Westfalen „genehmigungsfrei“ errichtet. Zur Anwendung gelangt hier als Rechtsgrundlage fast ausschließlich die Landesbauordnung, oft in Verbindung mit der Garagenverordnung. Aber auch bei allen anderen Bauvorhaben, die nicht unter den abschließenden Katalog der Sonderbauten in der Bauordnung (§ 68,1) fallen, trägt der Entwurfsverfasser die Verantwortung dafür, dass die Entwurfs- und Eingabeplanung den Bauvorschriften genügt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Architekt als Entwurfsverfasser eine besondere Qualifikation in diesem Bereich besitzt und die allgemeinen und besonderen Anforderungen aus dem baulichen Brandschutz kennt und anwendet.

Abweichungen vom Baurecht

Damit mutet der Gesetzgeber dem Entwurfsverfasser nun auch zu, aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung Abweichungen von der Landesbauordnung zweifelsfrei und ausnahmslos zu erkennen. Dieses gilt im Besonderen für die genehmigungsfreien Vorhaben (für Wohngebäude geringer Höhe) wie für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren allgemein (bis hin zu den „kleinen Sonderbauten“, die nicht in die abschließende Liste der Sonderbauten in der Landesbauordnung aufgenommen wurden). Der Gesetzgeber verlangt dabei neue, erweiterte Architektenpflichten: Der Entwurfsverfasser soll alle Abweichungen von der Landesbauordnung, den Sonderbauvorschriften und den zugehörigen Verordnungen zunächst erkennen und dann der Bauaufsicht zur Genehmigung vorlegen.

Und hier steckt der Teufel oft im Detail. Der Architekt trägt bereits in vielerlei Hinsicht Verantwortung am Bau. Er ist zuständig für gestalterische, finanzielle, technische und andere rechtliche Fragen. Grundsätzlich ist aber auch der Brandschutz Planungsaufgabe des Entwurfsverfassers. In der Ausbildung der Architekten und Bauingenieure an den Hochschulen spielt aber der Brandschutz nur eine untergeordnete Rolle. Die nachträgliche Einarbeitung in das Thema ist aufwändig und schwierig. Dabei stellen die Anforderungen an den Brandschutz den weitaus größten Teil der materiellen Anforderungen der Landesbauordnung dar.

Lässt sich der Architekt nun die tatsächlich vorhandenen Abweichungen nicht genehmigen, kann er aufgrund möglicherweise später entdeckter Mängel zur Verantwortung gezogen werden. Neben privatrechtlichen Gewährleistungsansprüchen (Stichwort: Mängelfreiheit des Gewerks) kann dieser Umstand im Schadensfall strafrechtliche (bei entstehenden Personenschäden), zivilrechtliche (entstandener Sachschaden) und auch baurechtliche (Bauen ohne Baugenehmigung) Konsequenzen haben.

Schon in der Bauphase können nicht beantragte Abweichungen gravierende Folgen nach sich ziehen. So muss die Baugenehmigungsbehörde bei der Bauzustandsbesichtigung Baumängel nicht hinnehmen, kann einen Baustopp verfügen oder die Nutzung untersagen. Anders ausgedrückt: Erkennt die Bauaufsicht eine nicht genehmigte Abweichung vom materiellen Baurecht, kann die gewählte Bauausführung untersagt werden. Hohe Umplanungs-, Umbau- und Baustillstandskosten können die Folge sein.

Sonderfall Sonderbau

Etwas anders stellt sich die Sachlage im Bereich der Sonderbauten nach § 68,1 BauO NRW dar. Diese Gebäude und baulichen Anlagen unterliegen dem Vollverfahren, es werden umfangreiche Anforderungen an die Bauvorlagen gestellt. Bestandteil der Bauvorlagen sind u. a. sogenannte „Brandschutzkonzepte“, in denen der Brandschutz eines Gebäudes ausführlich dargestellt und nachgewiesen wird. Brandschutzkonzepte müssen von der Bauaufsicht geprüft werden.

Der Ersteller des Nachweises soll in NRW ein „staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes“ sein. In den meisten anderen Bundesländern werden keine besonderen Anforderungen an den Nachweisersteller erhoben. Brandschutzkonzepte können in Nordrhein-Westfalen von der Bauaufsicht auch bei den sogenannten „kleinen Sonderbauten“ (die nicht in § 68,1 BauO NRW aufgelistet sind) gefordert werden. Für Sonderbauten kann ein Fachbauleiter verlangt werden, der bei Abnahme des Objekts eine Bescheinigung über die „Umsetzung des Brandschutzkonzepts“ ausstellt.

Verantwortung ausfüllen

Der Entwurfsverfasser muss nach Sachkunde und Erfahrung zur Vorbereitung des jeweiligen Bauvorhabens geeignet sein. Besitzt er auf einzelnen Fachgebieten nicht die erforderliche Sachkunde oder Erfahrung, so hat er einen geeigneten Fachplaner heranzuziehen.

Ein Architekt sollte künftig realistisch prüfen, ob er für das geplante Bauvorhaben über die erforderliche Sachkunde verfügt und die ihm übertragene Verantwortung übernehmen kann oder im Zweifelsfall doch einen Fachplaner zu Rate ziehen sollte. In jedem Fall trägt der Architekt zunehmend mehr Verantwortung für sein Handeln. Mit der „Vereinfachung“ der Baugenehmigungsverfahren geht nicht nur ein schnelleres Bauen einher, es geht auch ein Stück Rechtssicherheit für den Entwurfsverfasser verloren. Die Architekten werden sich dieser Herausforderung stellen und künftig ein erhöhtes Augenmerk auf den Brandschutz richten müssen.